Verletzungsrisiken im Beachvolleyball – Was die Wissenschaft verrät und was wir daraus fürs Training lernen können

In ihrem systematischen Review analysieren Jimenez-Olmedo und Penichet-Tomas von der Universität in Alicante/ Spanien insgesamt 32 wissenschaftliche Studien aus den Jahren 1996 bis 2015 zu Verletzungen und Pathologien im Beachvolleyball. Ziel war es, die gesundheitlichen Herausforderungen für Spieler:innen besser zu verstehen – von akuten Verletzungen bis hin zu chronischen Überlastungsschäden. Die Studien stammen aus internationalen Quellen, u.a. aus der FIVB, medizinischen Fachzeitschriften und olympischen Kontexten.

Die Autoren kategorisieren die Ergebnisse in vier Forschungsfelder:

  1. Spezifische Verletzungen
  2. Häufigkeit und Verteilung von Verletzungen
  3. Infektionskrankheiten
  4. Weitere gesundheitsbezogene Studien

1. Spezifische Verletzungen: Schulter, Knie, Rücken und Fuß besonders betroffen

Ein Großteil der Forschung widmet sich gezielt einzelnen Körperregionen – allen voran Schulter, Knie, Rücken und Fuß.

Die wohl häufigste Beschwerdequelle ist die Schulter. Bei 30 bis 34 % der untersuchten Spieler:innen wurde eine Atrophie des Infraspinatus-Muskels festgestellt – verantwortlich für die Außenrotation des Arms. Diese Verletzung ist tückisch, da sie häufig unbemerkt bleibt.

Auch Kniebeschwerden sind weit verbreitet. Eine Studie mit 202 Spieler:innen ergab eine deutliche Häufung von Quadrizeps- und Patellatendinosen, vor allem im nicht-dominanten Bein.

Am Fuß ist besonders die sogenannte „Sand Toe“-Verletzung charakteristisch – eine schmerzhafte Überstreckung des Großzehengrundgelenks. Auch Hautabschürfungen, Plantarfasziitis und Achillessehnenprobleme gehören zu den häufig dokumentierten Beschwerden.

Nicht zuletzt leidet auch der untere Rücken unter den Belastungen: Eine Studie zeigte, dass 86 % der Spieler:innen im Laufe ihrer Karriere Rückenschmerzen hatten, wobei besonders die Wirbel L4–L5 und L5–S1 betroffen waren.

2. Wie häufig sind Verletzungen im Beachvolleyball?

Im Vergleich zum Hallenvolleyball zeigt sich ein leicht erhöhtes Verletzungsrisiko im Sand: Laut einer Studie kommen auf 1000 Spielstunden im Beachvolleyball 4,9 Verletzungen, im Hallenvolleyball 4,2. Dabei sind vor allem Angriffs- und Abwehraktionen verletzungsträchtig.

Die häufigsten akuten Verletzungen im Beachvolleyball betreffen:

  • Knie (30 %)
  • Sprunggelenk (17 %)
  • Finger (17 %)

Überlastungsschäden treten vor allem an:

  • Rücken (19 %)
  • Knie (12 %)
  • Schulter (10 %)

Eine zentrale Erkenntnis: Viele Verletzungen entstehen nicht durch Fremdeinwirkung, sondern durch Wiederholung explosiver Bewegungen wie Springen, Schlagen oder abruptes Abstoppen.

3. Ungewöhnlich, aber real: Infektionsgefahren

Weniger bekannt, aber nicht minder gefährlich: Infektionen durch Nematoden und Pilze, insbesondere beim Barfußspielen. Ein dokumentierter Fall beschreibt eine Hautinfektion mit dem Parasiten Ancylostoma brasiliense nach einem Turnier in Brasilien. Auch Pilzerkrankungen wie Tinea corporis oder Nagelpilz wurden mehrfach beschrieben.

Maßnahmen wie konsequente Hygiene, Tragen von Schuhen außerhalb des Feldes und das Nicht-Teilen von Handtüchern sind einfache, aber wirksame Präventionsstrategien.

4. Weitere Gesundheitsaspekte: Hitze, Schlaf und Motivation

Auch Themen wie Hitzestress wurden untersucht. Überraschenderweise zeigte sich, dass trotz häufiger extremer Wetterbedingungen (>32 °C) nur wenige ernsthafte hitzebedingte Erkrankungen bei FIVB-Turnieren registriert wurden.

Ein weiteres Thema ist die psychologische Komponente der Rehabilitation: Laut einer qualitativen Studie waren Selbstmotivation, Unterstützung durch das Umfeld und Vertrauen in medizinisches Personal entscheidend für die Rückkehr zum Wettkampfsport nach einer Schulterverletzung.

Empfehlungen für das Training von Volleyballer:innen

Aus den Studien lassen sich mehrere Trainingsprinzipien für Trainer:innen und Spieler:innen ableiten:

1. Schultergesundheit priorisieren

Die Schulter ist im Beachvolleyball besonders gefährdet, vor allem durch die hohe Wiederholungsrate explosiver Bewegungen wie Angriff und Aufschlag. Studien zeigen ein Vorherrschen von Infraspinatus-Atrophie (30–34 %).

Trainingsempfehlungen:

  • Kräftigung der Rotatorenmanschette: Theraband-Übungen (Außenrotation, Innenrotation), 2–3x/Woche
  • Stabilisationstraining mit Fokus auf kontrollierter Armführung (z.B. in Liegestützposition mit Zug-/Druckelementen)
  • Technikschulung für Aufschlag und Angriff zur Vermeidung extremer Gelenkstellungen
  • Warm-up-Routinen mit Schulterkreisen, Bandarbeit und Mobilisation vor jeder Einheit

2. Kniebeschwerden verhindern

34 von 202 getesteten Spieler:innen litten an Quadrizeps- und Patellatendinosen, ausgelöst durch Überlastung des Kniestreckapparates.

Trainingsempfehlungen:

  • Exzentrisches Krafttraining (z.B. Spanish Squats) zur gezielten Stärkung der Patellarsehne
  • Beinachsenstabilität trainieren (z. B. durch Step-downs, Balance-Übungen auf instabilem Untergrund)
  • Sprunglandungen üben mit Fokus auf kontrollierte, beidbeinige Landung
  • Ausreichend Regeneration: 48 h Pause zwischen intensiven Sprungeinheiten

3. Fuß & Sprunggelenk stabilisieren

„Sand Toe“ (Hyperplantarflexion des Großzehengelenks) und Hautverletzungen zählen zu den häufigsten Beschwerden.

Trainingsempfehlungen:

  • Fußgewölbe stärken durch Barfußläufe im Sand, Fußgreifübungen mit Handtüchern oder Igelball
  • Sprunggelenkstabilität trainieren: Einbeinstand mit geschlossenen Augen, auf Wackelmatte, Bandstabilisation
  • Präventives Taping oder Bandagen im Training einsetzen, besonders bei Verletzungsvorgeschichte
  • Nach dem Spielen: Pflege von Hautabschürfungen und Desinfektion offener Stellen

4. Rücken gesund halten

Rückenprobleme betreffen über 85 % der Beachvolleyballer:innen im Laufe ihrer Karriere.

Trainingsempfehlungen:

  • Core-Training als Standard: Plank-Variationen, Side Planks, Bird Dog
  • Beweglichkeit der Hüfte fördern: Hüftmobilisation mit Faszienrolle, Dehnübungen für Beuger und Gesäß
  • Überkopfarbeit ausgleichen durch Ruderübungen, Kreuzheben (mit sauberen Bewegungsmustern)

5. Belastung sinnvoll steuern

„The main reason for injuries is the high degree of repetition of explosive actions”.

Trainingsempfehlungen:

  • Periodisierung beachten: Trainingszyklen mit wechselndem Schwerpunkt (z. B. Technik, Kraft, Taktik, Regeneration)
  • Belastung dokumentieren: Trainingstagebuch oder digitale Tracking-Tools nutzen
  • Trainingsspiele mit reduzierter Intensität einplanen (z. B. 3 vs. 3 auf verkleinertem Feld mit Fokus auf Technik)

6. Mentale und organisatorische Prävention

Psychosoziale Faktoren wie Motivation, Umfeld und Kommunikation spielen bei der Rehabilitation und Rückkehr in den Sport eine zentrale Rolle.

Trainingsempfehlungen:

  • Verletzungen offen thematisieren: Vertrauen zwischen Spieler:in und Trainer:in fördern
  • Spieler:innen einbinden in Trainingsplanung und Regenerationsentscheidungen
  • Reha-Programme mit positivem Mindset begleiten (z. B. Zielkarten, Visualisierungstechniken)

Fazit: Wissen ist Prävention

Das systematische Review von Jimenez-Olmedo und Penichet-Tomas liefert wichtige Erkenntnisse, die für Trainer:innen, Spieler:innen und medizinisches Personal im Volleyballsport hochrelevant sind. Es zeigt, dass Beachvolleyball zwar weniger mit Fremdkontakt, dafür aber stark mit wiederholter Belastung einzelner Strukturen assoziiert ist.

Verletzungen sind nicht gänzlich vermeidbar – aber mit gezieltem Training, sinnvoller Prävention und schneller medizinischer Reaktion können sie reduziert und im Ernstfall schneller auskuriert werden.

Lest hier das Paper im Original

https://rua.ua.es/dspace/bitstream/10045/57530/1/jhse_Vol_10_N_4_936-948.pdf

Disclaimer

Die in diesem Beitrag bereitgestellten Informationen dienen ausschließlich zu allgemeinen Informationszwecken und stellen keine medizinische Beratung dar. Wenn du akute oder chronische Probleme hast, besprich dich mit einem Arzt oder einer qualifizierten medizinischen Fachkraft. Jeder Mensch hat individuelle gesundheitliche Bedürfnisse, und eine professionelle Beratung stellt sicher, dass deine Entscheidungen sicher und auf deine persönlichen Anforderungen abgestimmt sind.