„Activity profile of training and matches activities of women’s beach volleyball players: A case study of a world top-level team“ – so lautet der Titel einer Studie, die 2023 im Journal of Human Sport and Exerciseerschienen ist. Verfasst wurde sie von einem internationalen Forscherteam: Alexandre Medeiros, Geovani Silva, Mário Simim, Francisco Neto, Fábio Nakamura, Lucas Palermo, Ana Ramos, José Afonso und Isabel Mesquita – von Universitäten in Brasilien (Federal University of Ceara, Praia Clube) und Portugal (Universität Porto, Universität Maia).
Die Studie beleuchtet die körperlichen Belastungen, die Weltklasse-Beachvolleyballerinnen in Training und Spielen erleben – und kommt zu überraschenden Ergebnissen, die für alle Volleyballerinnen relevant sind. Konkret untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwei Spielerinnen des brasilianischen Nationalteams: eine 24-jährige Abwehrspielerin und eine 25-jährige Blockerin, beide mehrfach dekoriert mit Weltmeistertiteln, Olympia-Teilnahmen und Jugend-Weltmeisterschaften.
Was genau hat die Studie untersucht?
Die Forscher:innen begleiteten die Spielerinnen über fünf Monate auf dem Weg zur Beachvolleyball-WM 2022. Sie sammelten Daten aus:
- 33 offiziellen Matches (inkl. Brasilianische Liga, FIVB World Tour, WM)
- 57 Trainingseinheiten, unterteilt in:
- Tactical-Technical Training (TT): Spielnahe Technik- und Taktikübungen
- Physical Training (PT): Athletiktraining
- Match Warm-Up (MWU): Aufwärmen vor Spielen
Die Spielerinnen trugen GPS-Tracker (Catapult System), die Metriken wie Feldzeit, Player Load (eine kombinierte Kennzahl für Belastung), Sprunganzahl, Laufdistanz und Richtungswechsel erfassten. Zusätzlich wurden alle Sprünge gezählt, die über 25 cm lagen – um echte Spielbelastungen von kleineren Bewegungen abzugrenzen.
Die Ergebnisse im Detail

Player Load (Belastung) je Aktivität für Defender und Blocker
Tactical-Technical Training (TT) toppt alles
Die vielleicht überraschendste Erkenntnis: Das Technik-Taktik-Training war die forderndste Aktivität – noch anstrengender als echte Spiele.
Das heißt: In Sachen Feldzeit, Player Load, Laufdistanz und Richtungswechsel lag das Taktiktraining vorne. Nur die Zahl der Sprünge war bei der Blockerin im Spiel ähnlich hoch wie im Taktiktraining. Warum? Vermutlich, weil Blocker:innen im Spiel fast bei jedem Ball springen müssen – da gleicht sich das aus.
Für Spieler:innen bedeutet das: Nur zu spielen, reicht nicht – wer sich verbessern will, muss ins Taktiktraining investieren. Aber Achtung: Die Belastung ist dabei extrem hoch – es lauert Überlastungsgefahr!
Spiele sind intensiver als Aufwärmen und Fitnesstraining
Auch wenig überraschend, aber wichtig zu betonen: Echte Spiele fordern den Körper stärker als Aufwärmen oder Athletiktraining. Das Paper sagt:
„Formal matches activities had more demand than match warm-up (before the matches) and physical training activities.“(S. 686)
Insbesondere die Zahl der Richtungswechsel (COD) war in Spielen deutlich höher: „Formal matches displayed significant differences in COD right (p = .017) compared to physical training.“ (S. 684)
Für Volleyballerinnen heißt das: Klassisches Krafttraining reicht nicht aus – wir müssen auch spielnahe Situationen trainieren, um den Körper an die Belastungen zu gewöhnen.
Positionen haben unterschiedliche Belastungen
Die Studie bestätigt, was wir aus der Praxis kennen: Blockerinnen springen mehr, Abwehrspielerinnen laufen mehr.Die Forscher:innen schreiben:
„Defenders cover more space (i.e., total distance) than blockers during the match, the blockers jump higher and sprint faster.“ (S. 680)
Für das Training bedeutet das:
- Blockerinnen brauchen viele explosive Sprünge, Block- und Schnellkraftübungen
- Abwehrspielerinnen sollten mehr an Schnelligkeit, Richtungswechseln und Ausdauer arbeiten
Ein „One-size-fits-all“-Trainingsplan reicht nicht aus!
Lange Warm-Ups können kontraproduktiv sein
Eine spannende Nebenbeobachtung: Die brasilianischen Spielerinnen wärmten sich im Schnitt 38 Minuten vor Spielen auf. Die Autoren warnen:
„Such long warm-up can be related to fatigue accumulation, negatively affecting the following performance.“
Für uns heißt das: Aufwärmen ist wichtig, aber zu langes Warm-Up kann müde machen. Vielleicht reichen 10–15 Minuten mit gezielten Übungen.
Trainingsvolumen ≠ Qualität
Ein wichtiger Gedanke aus dem Paper:
„Coaches can be careful to consider only volume without information about intensity.“
Sprich: Es bringt nichts, einfach nur viele Stunden zu trainieren – entscheidend ist, wie intensiv und spielnah das Training ist. Für Volleyballer:innen bedeutet das:
- Statt 3 Stunden „irgendwas“ lieber 90 Minuten mit hoher Intensität
- Belastungen wie im Spiel simulieren (z.B. Sprungserien, schnelle Richtungswechsel, viele Ballkontakte)
Was lernen wir für unser Training?
Hier sind 5 konkrete Learnings aus der Studie für Volleyballerinnen – egal ob Beach oder Halle, Anfängerin oder Profi:
1️⃣ Taktik-Training nicht unterschätzen: Spielnahe Übungen bringen die höchste Belastung – aber auch die besten Trainingseffekte. Plane sie gezielt ein.
2️⃣ Athletiktraining reicht nicht: Nur Laufen oder Heben macht dich nicht fit fürs Spiel. Kombiniere es mit spielnahen Bewegungen.
3️⃣ Weniger ist manchmal mehr: Lange Warm-Ups können kontraproduktiv sein. Fokus auf kurze, effektive Einheiten.
4️⃣ Positionsspezifisch trainieren: Blockerinnen und Abwehrspielerinnen brauchen unterschiedliche Schwerpunkte. Passe dein Training an deine Rolle an.
5️⃣ Belastung steuern: Achte auf Regeneration und Überlastung. Techniktraining kann sehr fordernd sein – gönn dir danach Pausen.
Fazit
Die Studie von Medeiros et al. zeigt klar: Die größte Belastung im Beachvolleyball liegt nicht im Spiel selbst, sondern im Training – vor allem im Technik- und Taktiktraining. Für Volleyballerinnen heißt das: Wir müssen clever trainieren – mit einem guten Mix aus spielnahen Drills, Athletik und Regeneration. Und: Auf unseren Körper hören, Überlastung vermeiden und Qualität vor Quantität stellen.
Denn am Ende zählt: Train smart, play hard – und hab Spaß am Spiel!
Lies das Paper im Original
https://rua.ua.es/dspace/bitstream/10045/133628/6/JHSE_18-3_14.pdf