Beachvolleyball ist mehr als nur ein Ballspiel im Sand – es ist ein taktisches, technisches und mentales Kräftemessen. Doch wie lässt sich die individuelle Spielstärke von Spieler:innen wirklich objektiv bewerten? Der russische Sportwissenschaftler und Volleyball-Professor V. V. Kostjukov hat 2002 hierfür ein Punktesystem entwickelt, das alle zentralen Spielhandlungen erfasst – vom Aufschlag bis zur Verteidigung. In diesem Beitrag erfährst du, wie du deine eigene Leistung oder die deines Teams systematisch analysieren kannst – und warum das gerade auch für ambitionierte Hobby-Spieler:innen interessant sein kann.
Die 6 Grundpfeiler des Spiels
Kostjukovs Modell unterteilt das Spiel in sechs zentrale Aktionsgruppen:
- Pritschen / Zuspiel
- Aufschlag
- Annahme
- Angriff
- Block
- Abwehr
Jede dieser Kategorien kann mit 2 bis 5 Punkten bewertet werden:
- 5 Punkte = hervorragend
- 4 Punkte = gut
- 3 Punkte = ausreichend
- 2 Punkte = ungenügend
Somit liegt die Gesamtpunktzahl zwischen 12 und 30 Punkten, wenn alle Aktionen durchgeführt werden – also bei Allround-Spieler:innen. Spieler:innen, die z. B. keinen Block stellen (was bei kleineren, defensiv spezialisierten Athlet:innen oft der Fall ist), werden mithilfe eines speziellen Koeffizienten bewertet. Aber dazu später mehr.
So wird jede Aktion bewertet
Aufschlag
- 5 Punkte: Mehrere Aufschlagarten (z. B. Sprungaufschlag, Flatteraufschlag) werden auch bei starkem Wind oder Spielstress sicher und präzise ausgeführt.
- 4 Punkte: Sicher und effektiv bei gutem Wetter und ruhiger Spielatmosphäre, aber fehleranfälliger bei Druck.
- 3 Punkte: Nur eine Art des Aufschlags, mittlere Aggressivität, deutlich höhere Fehlerquote bei erschwerten Bedingungen.
- 2 Punkte: Kaum Druck auf die Gegner:innen, viele Fehler bei kleinen Störungen.
Annahme
- 5 Punkte: Stabile Annahme bei jeder Aufschlagsart und unter schwierigsten Bedingungen – Ball landet perfekt fürs Zuspiel.
- 4 Punkte: Gute Annahme in ruhiger Spielsituation, aber anfällig für schwierige Float- oder harte Sprungaufschläge.
- 3 Punkte: Unsicher bei stärkeren Aufschlägen, keine konstante Kontrolle.
- 2 Punkte: Selbst einfache Aufschläge führen oft zu Fehlern.
Zuspiel
- 5 Punkte: Präzise Zuspiele von jeder Position aus, auch in schwierigen Situationen; sehr geringe Fehlerquote.
- 4 Punkte: Gute Pässe bei idealer Annahme, aber Schwächen unter Druck oder bei unpräzisem Ball.
- 3 Punkte: Unsicher bei komplexen Spielsituationen, häufige Regelverstöße (z. B. Doppelfehler).
- 2 Punkte: Sehr hohe Fehlerquote, Zuspiele oft unbrauchbar für die Angreifer:innen.
Angriff
- 5 Punkte: Starke, variantenreiche Angriffe mit guter Entscheidungsfindung – unabhängig von Block und Spielsituation.
- 4 Punkte: Gute Angriffe bei In-System, aber schwächer bei überraschender Spielsituation oder starkem Block.
- 3 Punkte: Schwierigkeiten bei Komplikationen
- 2 Punkte: Kaum Durchschlagskraft, häufiges „Rüberspielen“ statt gezielter Angriffe.
Block
- 5 Punkte: Exzellentes Timing, flexible Reaktionen auf Angreifer, gute Zusammenarbeit mit Abwehr.
- 4 Punkte: Solider Block in Standardsituationen, aber Schwächen gegen clevere Angreifer:innen.
- 3 Punkte: Späte Reaktionen, häufige Fehler in der Abstimmung mit der Abwehr.
- 2 Punkte: Kaum Wirkung am Netz, oft unkoordiniert oder gar nicht im Block beteiligt.
Abwehr
- 5 Punkte: Herausragende Antizipation, akrobatischer Einsatz, sichere Ballkontrolle auch in Extremsituationen.
- 4 Punkte: Gute Verteidigung in einfachen Situationen, aber bei harten oder raffinierten Angriffen manchmal zu spät oder unpräzise.
- 3 Punkte: Reaktionsschwach, kaum Kontrolle bei schnellen oder überraschenden Angriffen.
- 2 Punkte: Bewegungsträge, geringe Spielübersicht, Abstimmung mit dem Block fehlt.
Der KIP-Wert – der wahre Gradmesser
Kostjukov hat zusätzlich den Koeffizienten der individuellen Spielvorbereitung (KIP) eingeführt. Dieser berechnet sich als Durchschnitt aus den Punkten für die jeweiligen Aktionen – allerdings nur aus den Bereichen, die Spieler:innen tatsächlich abdecken.
Formel:
KIP = (a₁ + a₂ + … + aₙ) / n
Dabei steht „a“ für die Punkte einer Aktion und „n“ für die Anzahl ausgeführter Aktionsgruppen. Ein:e Libero:a, der/die nie blockt, wird also nur über fünf Kategorien bewertet. So bleibt die Bewertung fair und individuell.
Die Skala:
- 2,0 – 2,4 = ungenügend
- 2,5 – 3,4 = ausreichend
- 3,5 – 4,4 = gut
- 4,5 – 5,0 = hervorragend
Beispielrechnung:
Ein:e Spieler:in bekommt:
- 4 Punkte bei Zuspiel
- 4 Punkte bei Aufschlag
- 4 Punkte bei Annahme
- 4 Punkte bei Abwehr
- 3 Punkte bei Angriff
- 3 Punkte bei Block
KIP = (4+4+4+4+3+3)/6 = 3,67 → Bewertung: „gut“
Von Hobbyspieler:in zum Profi: Wie lange dauert’s?
Prof. Kostjukov zieht einen interessanten Vergleich: Wer von einem „ausreichenden“ Niveau (KIP ca. 3) auf ein „gutes“ Level (KIP > 3,5) möchte, sollte mit 2–3 Jahren intensiven Trainings rechnen. Für das Prädikat „hervorragend“ sind sogar 6–8 Jahre gezielte Leistungsvorbereitung nötig.
Fazit: Objektiv, fair und entwicklungsorientiert
Das Punktesystem nach Kostjukov ist kein Dogma, sondern ein Tool zur objektiven Leistungsbewertung. Es hilft Spieler:innen und Coaches, gezielt an Schwächen zu arbeiten, Fortschritte messbar zu machen und sich im Vergleich zu anderen besser einzuschätzen.
Unser Tipp: Probiert das System in eurer nächsten Trainingseinheit aus! Lasst euch von Mitspieler:innen oder Coaches bewerten – oder nehmt euch selbst per Video auf. So erkennt ihr schneller, wo ihr steht – und wo noch Luft nach oben ist.
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Quelle (im Original)
http://lib.sportedu.ru/press/tpfk/2002N5/p37-38.htm