Beachvolleyball ist mehr als nur Technik und Athletik – der Kopf spielt eine entscheidende Rolle. Gerade weil Teams aus nur zwei Spieler:innen bestehen, ist die Teamchemie essenziell. Doch welche Persönlichkeitsmerkmale zeichnen erfolgreiche Spieler:innen aus? Wie gehen sie mit Emotionen um? Und sind sich erfolgreiche Teamkolleg:innen eher ähnlich oder verschieden?

Eine Studie von Beachvolleyballerin und Tour-Spielerin Prof. Dr. Stefanie Klatt (geb. Hüttermann), Lisa-Marie Rückel, Sebastian Wagener und Benjamin Noël von der Deutschen Sporthochschule Köln und der University of Brighton hat sich mit diesen Fragen beschäftigt. Die Forscher analysierten 82 deutsche Elite-Beachvolleyballspieler:innen anhand ihrer Persönlichkeitsmerkmale, Emotionsregulation und Teamzufriedenheit. Hier sind die spannendsten Erkenntnisse!

1. Die Persönlichkeitsmerkmale erfolgreicher Beachvolleyballer

Die Wissenschaftler:innen nutzten verschiedene psychologische Tests, um die Persönlichkeitsprofile der Athlet:innen zu bestimmen. Die Ergebnisse zeigen, dass erfolgreiche Spieler:innen in folgenden Punkten auffallen:

  • Hohe emotionale Stabilität: Sie lassen sich weniger von negativen Emotionen beeinflussen und bleiben in Drucksituationen ruhig.
  • Hohe Offenheit für Erfahrungen: Sie sind flexibel und anpassungsfähig – eine wichtige Eigenschaft für ein Spiel, in dem sich die Bedingungen (Wind, Sand, Gegner) ständig ändern.
  • Hohe Gewissenhaftigkeit: Erfolgreiche Spieler:innen sind diszipliniert und strukturiert, was ihnen hilft, sich auf Training und Wettkampf zu fokussieren.
  • Niedrige Neurotizismus-Werte: Das bedeutet, dass sie weniger anfällig für Ängste oder Stressreaktionen sind.

Interessanterweise zeigen Beachvolleyballspieler:innen im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung weniger Extrovertiertheit und weniger Regelbewusstsein. Dies könnte daran liegen, dass Beachvolleyball eine Sportart ist, in der individuelles Spielverständnis und Selbstorganisation wichtiger sind als starre Regeln.

Persönlichkeitsmerkmal

Mittelwert (Elite-Spieler:innen)

Normwert (Allgemeine Bevölkerung)

Unterschied

Extraversion

3,23

3,80

↓ Niedriger

Neurotizismus

2,94

2,40

↑ Höher

Offenheit für Neues

3,42

3,20

↑ Höher

Gewissenhaftigkeit

3,35

3,90

↓ Niedriger

Verträglichkeit

3,16

3,50

↓ Niedriger

🔹 Erfolgreiche Spieler:innen sind offener für neue Erfahrungen und emotional stabiler als der Durchschnitt, zeigen aber weniger Extrovertiertheit und Gewissenhaftigkeit.
🔹 Niedrigere Verträglichkeit könnte darauf hindeuten, dass erfolgreiche Spieler:innen in Drucksituationen weniger nachgeben.

“Elite-Beachvolleyballspieler:innen zeichnen sich durch eine Kombination aus emotionaler Stabilität, Offenheit für neue Erfahrungen und hoher Anpassungsfähigkeit aus.” – Klatt et al. (2021)

2. Emotionen im Griff – Warum Emotionsregulation so wichtig ist

Das Spiel mit den Emotionen. Foto: Volleyballfreak

Das Spiel mit den Emotionen. Foto: Volleyballfreak

In einem Match läuft nicht immer alles nach Plan. Ein Fehler, ein unglücklicher Netzroller oder ein starker Windstoß – wer hier die Nerven verliert, verliert auch das Spiel. Die Studie untersuchte deshalb, wie die Spieler:innen mit ihren Emotionen umgehen.

Es wurden drei Emotionsregulationsstile analysiert:

  1. Unterdrückung (Concealing): Spieler:innen verbergen ihre Emotionen, um ihre Gegner nicht zu motivieren oder zu verunsichern.
  2. Anpassung (Adjusting): Spieler:innen passen ihre Emotionen an die Situation an, z. B. durch positive Selbstgespräche oder Fokussierung.
  3. Akzeptanz (Tolerating): Spieler:innen akzeptieren ihre Emotionen und lassen sie zu, ohne sich davon beeinflussen zu lassen.

Die Ergebnisse zeigen, dass Elite-Beachvolleyballer:innen alle drei Strategien nutzen, jedoch vor allem Anpassung und Akzeptanz bevorzugen.

Hier sind die Ergebnisse:

Emotionsregulationsstil

Durchschnittswert (1-5 Skala)

Unterdrückung

3,09

Anpassung

3,19

Akzeptanz

3,57

🔹 Erfolgreiche Spieler:innen bevorzugen die Strategie der Akzeptanz (3,57) gegenüber der bloßen Unterdrückung von Emotionen (3,09).
🔹 Anpassung (3,19) wird häufig genutzt, um negative Emotionen in positive Energie umzuwandeln.

“Erfolgreiche Spieler:innen können ihre Emotionen gezielt regulieren, um sich auf das Spiel zu konzentrieren.” – Klatt et al. (2021)

Gleiche oder gegensätzliche Persönlichkeiten – Was funktioniert besser im Team?

Ein besonders spannender Punkt der Studie war die Frage, ob erfolgreiche Teams aus ähnlichen oder unterschiedlichen Persönlichkeiten bestehen. Die Ergebnisse zeigen:

  • Beachvolleyball-Teams bestehen häufig aus Spieler:innen mit ähnlichen Persönlichkeiten.
  • Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Spieler:innen eines Teams in den getesteten Persönlichkeitsmerkmalen.

Das bedeutet, dass erfolgreiche Teams eher aus Spieler:innen bestehen, die in ihrer Denkweise und ihrem emotionalen Verhalten auf einer Wellenlänge sind. Dies hilft, Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden.

Persönlichkeitsfaktor

Durchschnittlicher Unterschied zwischen Teampartner:innen (1-7 Skala)

Extraversion

0,48

Neurotizismus

0,53

Offenheit

0,84

Gewissenhaftigkeit

0,65

Verträglichkeit

0,70

🔹 Der größte Unterschied lag in der Offenheit (0,84 Punkte), die übrigen Merkmale waren sehr ähnlich.
🔹 Dies bestätigt die Annahme, dass sich erfolgreiche Partner in ihren Persönlichkeiten stark ähneln, was zu besserer Teamharmonie führt.

“Die erfolgreichsten Teams bestehen aus Spieler:innen, die sich in ihrer Persönlichkeit stark ähneln.” – Klatt et al. (2021)

4. Hat Persönlichkeit einen Einfluss auf die Leistung?

Eine zentrale Frage der Studie war, ob bestimmte Persönlichkeitsmerkmale direkt mit besserer Leistung oder höherer Zufriedenheit im Team zusammenhängen. Überraschenderweise fand das Forscherteam keinen klaren Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Leistung.

Das bedeutet: Persönlichkeit allein macht noch keine Champions. Technik, Taktik, körperliche Fitness und Erfahrung spielen natürlich ebenfalls eine entscheidende Rolle. Dennoch kann ein gut abgestimmtes Team eine wichtige Basis für langfristigen Erfolg sein.

Zusammenhang zwischen Persönlichkeit & Leistung

Korrelation (r)

Bedeutung

Extraversion & Leistung

0,13

Kein Einfluss

Neurotizismus & Leistung

-0,18

Schwacher negativer Einfluss

Offenheit & Leistung

0,03

Kein Einfluss

Gewissenhaftigkeit & Leistung

-0,09

Kein Einfluss

Verträglichkeit & Leistung

0,08

Kein Einfluss

🔹 Persönlichkeit allein entscheidet nicht über Erfolg.
🔹 Technik, Taktik, Fitness und Erfahrung spielen eine größere Rolle.
🔹 Ein gut abgestimmtes Team kann aber langfristig stabiler und erfolgreicher sein.

“Persönlichkeit beeinflusst nicht direkt die Leistung, aber sie kann helfen, ein stabiles und harmonisches Team zu bilden.” – Klatt et al. (2021)

5.   Unterschiede zwischen Männern und Frauen im Beachvolleyball

Ein interessanter Aspekt der Studie ist die Analyse geschlechtsspezifischer Unterschiede. Männliche und weibliche Beachvolleyballspieler zeigten in einigen Persönlichkeitsmerkmalen deutliche Unterschiede:

Persönlichkeitsmerkmal

Männer (Mittelwert)

Frauen (Mittelwert)

Unterschied

Emotionale Stabilität

6,88

5,99

Männer stabiler

Wärme & Einfühlungsvermögen

6,04

7,06

Frauen wärmer & einfühlsamer

Dominanz

5,35

4,57

Männer dominanter

Sorgfalt & Gewissenhaftigkeit

3,49

3,17

Männer gewissenhafter

🔹 Männer zeigten eine höhere emotionale Stabilität und Dominanz, während Frauen mehr Wärme und Einfühlungsvermögen aufwiesen.
🔹 Frauen waren auch etwas weniger gewissenhaft als Männer, was auf eine größere Flexibilität im Spielverhalten hindeuten könnte.

“Männliche Beachvolleyballspieler zeigten höhere Werte in emotionaler Stabilität und Dominanz, während Frauen stärker in Wärme und Einfühlungsvermögen waren.” – Klatt et al. (2021)

Diese Unterschiede könnten sich in der Spielweise niederschlagen: Während männliche Spieler möglicherweise einen direkteren und durchsetzungsstärkeren Spielstil bevorzugen, könnten weibliche Teams stärker auf Kommunikation und Abstimmung setzen.

6. Was bedeutet das für Spieler:innen und Trainer:innen?

Basierend auf den Ergebnissen der Studie lassen sich einige wertvolle Tipps für Trainer:innen und Spieler:innen ableiten:

1. Persönlichkeitsprofile in die Teamzusammenstellung einbeziehen

Wenn zwei Spieler:innen gemeinsam trainieren oder sich für eine Saison als Team formieren, sollten sie ihre Persönlichkeiten vergleichen. Ähnliche Werte und Emotionen führen oft zu besserer Abstimmung auf dem Feld.

2. Emotionsregulation trainieren

Technik und Taktik sind wichtig – aber auch der Kopf spielt eine entscheidende Rolle. Mentaltraining und gezielte Übungen zur Emotionskontrolle (z. B. Atemtechniken, Selbstgespräche) können helfen, in schwierigen Spielsituationen einen kühlen Kopf zu bewahren.

3. Konflikte vermeiden, indem man die Teamdynamik versteht

Wenn Trainer:innen wissen, wie ihre Spieler:innen ticken, können sie besser auf mögliche Konflikte reagieren. Ein:e Spieler:in, der Emotionen gerne unterdrückt, braucht vielleicht eine andere Ansprache als jemand, der seine Emotionen aktiv verarbeitet.

4. Individualität im Training respektieren

Nicht jede:r Spieler:in tickt gleich. Während manche Sportler:innen klare Anweisungen und Strukturen brauchen, um ihr Potenzial abzurufen, bevorzugen andere mehr Eigenverantwortung. Trainer:innen sollten dies in ihrem Coaching-Stil berücksichtigen.

Fazit: Der Kopf entscheidet mit!

Die Studie von Klatt et al. (2021) zeigt: Persönlichkeit und Emotionsregulation sind wichtige Faktoren für ein erfolgreiches Beachvolleyballteam. Erfolgreiche Spieler:innen sind emotional stabil, offen für Neues und können ihre Gefühle gezielt steuern. Teams mit ähnlichen Persönlichkeiten haben oft weniger Konflikte und eine bessere Harmonie auf dem Feld.

Für Spieler:innen und Trainer:innen bedeutet das: Neben Technik und Fitness lohnt es sich, auch die psychologischen Aspekte des Spiels zu trainieren. Wer seine Emotionen im Griff hat und mit seinem/r Partner:in auf einer Wellenlänge ist, hat die besten Chancen, auf dem Sand erfolgreich zu sein.

Lest hier das ganze Paper im Original

https://www.frontiersin.org/journals/psychology/articles/10.3389/fpsyg.2021.719572/full