Ein kritischer Blick auf die DOSB-Zahlen und die Jubelmeldung des DVV
Kein Miesmacher – sondern ein Weckruf für noch mehr Volleyball-Power
Wenn man die aktuellen Zahlen des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) liest, könnte man fast meinen, Volleyball steht kurz davor, Fußball als Volkssport Nr. 1 abzulösen.
464.148 Mitglieder zum 1. Januar 2025 – ein Plus von 27.800 Spieler:innen, also 6,37 % Wachstum. Und das schon das zweite Jahr in Folge mit einem Zuwachs über 6 Prozent.
Nicht schlecht!
Auch der DOSB meldet allgemein steigende Mitgliedschaften im Vereinssport: 28,76 Millionen Menschen sind in deutschen Sportvereinen aktiv .
Bevor aber jemand denkt, dass ich hier die Jubelmeldung kaputtreden will:
Nein!
Dieser Artikel soll kein miesmacherischer Kommentar sein.
Im Gegenteil – ich will hier ehrlich, kritisch und konstruktiv draufschauen, damit wir als Volleyball-Community die richtigen Schlüsse ziehen und den Sport noch weiter nach vorne bringen.
Denn: Wachstum ist gut. Nachhaltiges Wachstum ist besser.
Los geht’s mit dem Blick hinter die Kulissen.
Volleyball wächst! Und das ist gut so.
Fangen wir mit dem Positiven an:
- +6,37 % Wachstum = überdurchschnittlich gut
- +13.088 Erwachsene im DVV – also nicht nur Kids, sondern echte Verstärkung im „aktiven Kern“
- Beachvolleyball boomt
- Hallenvolleyball bekommt mehr Reichweite
- Vereine berichten: „Wir hätten noch mehr aufnehmen können!“
Volleyball wirkt gerade so attraktiv wie schon lange nicht mehr:
Dynamisch, inklusiv, sozial, modern.
Und ja – wir alle spüren es in der Halle und im Sand:
Neue Gesichter, volle Trainingsgruppen, Wartelisten, WhatsApp-Gruppen explodieren, Hobbyturniere ausgebucht.
So weit, so positiv.
Historische Perspektive: Ist das echter Boom oder nur Aufholjagd?
Ein bisschen Kontext schadet nie:
- 2002 über 531.000 Mitglieder
- Vor Corona lag Volleyball bei ca. 400.000 Mitgliedern → lange Zeit Stagnation.
- Dann der Einbruch während der Pandemie (wie im gesamten Vereinssport).
- Und jetzt die Gegenbewegung – also ein Teil des Wachstums ist Nachhol-Effekt.
Heißt: Der Boom ist echt, aber wir sollten ihn realistisch einordnen
Vergleich mit anderen Sportarten: Sind wir Spitze oder „solides Mittelfeld“?
Damit klar wird, wo Volleyball aktuell steht, der Blick über den Tellerrand:
Sportarten, die ebenfalls stark wachsen:
- Basketball – WM-Gold 2023 = massiver Push
- Tennis – Pandemie-Gewinner
- Fußball – wächst zwar prozentual langsamer, aber in absoluten Zahlen gigantisch
(2–3 % von 7,3 Mio. sind halt ne Menge)
Sportarten, die stagnieren oder struggeln:
- Turnen
- Schwimmen
- Leichtathletik
- Viele Kampfsportarten
Im Vergleich dazu steht Volleyball ziemlich gut da:
Wachstum über dem DOSB-Durchschnitt, gute Geschlechterverteilung, starker Jugendtrend.
Aber: Wir sind nicht die dynamischste Mannschaft im Feld – eher „oben gut dabei“.
Wo wir stark sind – und wo der Schuh drückt
Volleyball kann einiges richtig gut.
Die klaren Stärken
- Coole Sportart, die extrem viele anspricht – speziell Jugendliche
- Kombi aus Fitness, Teamgefühl und Wettkampf
- Beach- und Hallenvolleyball = zwei attraktive Einstiegswelten
- Starke Community, viele Turniere, Szene-Events
- Relativ niedrige Einstiegshürde im Hobbybereich
Aber hinter dem Wachstum steht auch eine Realität, die der DVV in seinen Pressemeldungen (natürlich) nicht so laut ausspricht.
Die echten Probleme
- Trainer:innen fehlen
Vereine bremsen das Wachstum teilweise selbst aus, weil sie niemanden finden, der/die Trainingsgruppen übernimmt.
- Hallenzeiten sind knapp
Besonders in Städten wird Volleyball zur Tetris-Aufgabe.
- Abbrecherquote mit 18–22 Jahren
Nach der Jugend „verschwinden“ extrem viele Spieler:innen aus Vereinen.
- Der Leistungsbereich ist dünn
Viele Landkreise haben keine einzige Jugendmannschaft auf Verbandsebene.
- Volleyball ist (noch) kein Mediensport
Im Vergleich zu Basketball, Darts oder sogar Handball fehlt die große Bühne.
Was jetzt passieren muss, damit Volleyball wirklich explodiert
Wenn wir das Momentum nicht verlieren wollen, brauchen wir ein paar harte, aber notwendige Schritte – sowohl auf DVV-Ebene als auch bei uns in den Vereinen.
- Trainer:innen ausbilden – und zwar massiv
Ohne Coaches kein Wachstum. Ganz einfach.
- Infrastruktur ausbauen
Mehr Beachplätze, mehr Hallen, mehr Kooperationen mit Schulen.
- Jugendprogramme stärken
Volleyball muss in der Schule genauso selbstverständlich sein wie Fußball oder Basketball.
- Vereine professionalisieren
Ehrenamt ist toll – aber nicht mehr ausreichend.
- Medienpräsenz steigern
Youtube, Twitch, Social Media – Volleyball braucht Gesichter und Geschichten.
- Freizeitvolleyball besser anbinden
Hobby-Volleyball = riesiges Reservoir, das selten im Verein landet.
Wer dort ansetzt, gewinnt sofort neue Mitglieder.
Fazit: Volleyball steht gut da – aber wir dürfen uns nicht ausruhen
Volleyball wächst – und das verdient auch eine echte Portion Stolz.
Aber wir sollten nicht in die Falle tappen, Zahlen unkritisch zu feiern.
Denn:
- Das Wachstum ist da – aber es ist fragil.
- Die Nachfrage ist riesig – aber die Strukturen sind zu klein.
- Die Community ist stark – aber die Sichtbarkeit ist zu gering.
Wenn der DVV, die Landesverbände und die Vereine jetzt mutige Schritte gehen, kann Volleyball in Deutschland richtig durchstarten – nicht nur als Trendsport, sondern als dauerhaft starke Sportart, die Nachwuchs, Breite und Leistung gleichermaßen begeistert.
Volleyball kann viel mehr.
Und wir – die Community – können entscheidend dazu beitragen.





