Wohl die wenigsten VolleyballFREAKs kennen sich mit dem so genannten ITC („International Transfer Certificate“)-Verfahren aus – warum auch, sollte man meinen.

In diesem ist das Verfahren geregelt, wie man als deutsche/r VolleyballerIn im Ausland, oder als ausländische/r VolleyballerIn in Deutschland spielen darf. Diese Regeln gelten wohlgemerkt nicht nur für Profis, sondern jedem, der mit einem Spielerpass am Ligabetrieb teilnehmen möchte, unabhängig von der Höhe der Liga.

Warum dieser Blogpost zum ITC-Verfahren?

Stein des Anstoßes für diesen Blogpost sind zwei Mahnungen für ITC-pflichtige Spieler, die am 25. Januar d. J. beim TVA Hürth* eingegangen sind. Wenn ihr weiterlest, werdet ihr sehen, dass das ITC-Verfahren für euch oder MitspielerInnen von euch schneller relevant sein kann als ihr denkt.

ITC-Fall 1

Ein/e deutsche/r Studierende/r setzt im Ausland sein Studium fort und beginnt dort im unteren Amateur-Ligabetrieb das Volleyball spielen. Nach der Rückkehr nach Deutschland möchte der/ die Studierende seinen neu-entdeckten Sport in seinem/ ihrem Heimatland weiter nachgehen – ebenfalls in einer unterklassigen Amateurliga. Dadurch, dass er/ sie den ersten offiziellen Spielerpass im Ausland bekommen hat, gilt er/ sie ab sofort als Volleyballspielende/r dieses Landes, ganz egal, welche Nationalität in seinem/ ihrem Personalausweis steht, bzw. wie lange oder hoch er/ sie im Ausland Volleyball gespielt hat. Dies hat zur Folge, dass für diese/n in dieser Saison erstmals das kostenpflichtige ITC-Verfahren angewandt werden muss – und zwar auch für jede weitere Saison in der er/ sie am Spielbetrieb teilnimmt.

Anfang Oktober 2020 beantragt der/ die VolleyballspielerIn das ITC, welches laut Rechnung am 30.11.2020 stattgegeben wurde. Bis dahin war für den/ die SpielerIn bedingt durch die Corona-Pandemie seit einiger Zeit kein Volleyballspielen mehr möglich, und damit einhergehend auch kein Einsatz in einem Ligaspiel.

ITC-Fall 2

Der umgekehrte Fall: Ein/e ausländische/r VolleyballspielerIn kommt des Studiums wegen nach Deutschland, hat in seinem/ ihrem Heimatland jedoch schon Volleyball (in einer Amateurliga) gespielt und möchte in Deutschland (ebenfalls in einer Amateurliga) weiterspielen. Auch für diese/n muss jede Saison aufs Neue das kostenpflichtige ITC-Verfahren beantragt werden in dieser Saison zum fünften Mal.

Wie funktioniert das ITC-Verfahren und was genau ist im ITC geregelt?

In beiden Fällen muss der Verein, oder auch die Spielenden selbst, den zuständigen Verband hier: den DVV anschreiben und um Einleitung des ITC-Verfahrens bitten. Im erstmaligen Fall wird daraufhin in der FIVB-Datenbank ein Eintrag für den/ die SpielerIn erzeugt mit den persönlichen Daten sowie den Informationen zum „abgebenden Heimatverband“ also der Verband, in welchem der/die Volleyballspielende das erste Mal offiziell am Ligabetrieb teilgenommen hat, sowie den Daten des aufnehmenden Verbandes und der Vereinsinformationen samt neuer Ligazugehörigkeit. Als Mittler war in diesem konkreten Fällen der CEV (Europäischer Volleyball-Verband) zuständig.

Prozedere:

  • Anfrage im abgebenden Verband, ob der/ die wechselwillige SpielerIn wechseln darf (Abzuschlagen, wenn er/ sie noch einen gültigen Spielerpass für die laufende Saison in seinem/ ihrem Heimatverband registriert hat)
  • Gibt es das OK, kann der Wechsel in den aufnehmenden Verband durchgeführt werden und ein Spielerpass ausgestellt werden.

Dieses Prozedere kostet Geld, für jedes Jahr, in welchem der/ die VolleyballerIn nicht in seinem Heimatverband spielen möchte, erneut, unabhängig von der Höhe der Liga, seiner Einkommenssituation oder anderer Faktoren.

Höhe der ITC-Gebühren

Die Höhe der ITC-Gebühren richtet sich danach, in welcher Liga der/ die VolleyballerIn in seinem/ ihrem Heimatverband gespielt hat, bzw. in welcher Liga er/ sie im aufnehmenden Verband spielen möchte.

In unseren konkreten Fällen waren dies einmal 84,00€ und einmal 52,50€ (inkl. Steuern).

Auszug „Bearbeitungsgebühren für Transfers nach Deutschland aus CEV-Ländern (laut DVV-Finanzordnung Anlage 3)

in die 1. und 2. BL Festlegung durch die VBL

in die Dritten Ligen 180,00 € + 7% MwSt

in die Regionalligen 80,00 € + 7% MwSt

in Ligen unterhalb der Regionalligen 50,00 € + 7% MwSt

Was waren die nächsten Schritte?

  • Dem Eingang der Mahnung folgte eine Anfrage des/r VolleyballspielerIn per Email an Hr. Hamel, zuständig beim DVV für diese Fälle. Inhalt der Anfrage:

Erläuterung der Gebühren sowie die Frage nach einer (anteilsmäßigen) Stundung der Gebühr aufgrund der durch COVID-19 unterbrochenen Saison

  • Drei Tage später folgte die abschlägige Antwort von Hr. Hamel (nach Rücksprache mit der Generalsekretärin des DVVs, Frau Nicole Fetting, mit der Begründung, dass die Pandemie und das Aussetzen der Saison nicht das Verschulden des DVVs sei.

Im Anschluss fanden vereinsinterne Gespräche über weitere Schritte statt.

Statement von Daniel Kuhn, 1. Vorsitzender des TVA Hürth Volleyball, zur ITC-Thematik

Daniel Kuhn, 1. Vorsitzender des TVA Hürth Volleyball

„Ich habe zum Thema ITC und dessen Gebühren eine differenzierte Meinung:

Aufgrund der Corona-Situation halte ich ein durchgängiges Solidarprinzip für wichtig damit wir unsere Strukturen nicht gefährden! Gesetz dem Fall, diese Gebühr ist im allgemeinen Interesse und auch rechtens, dann ist sie auch in der Corona-Phase zu akzeptieren. Wir können nicht so tun, als hätten z. B. Verbände auf einmal keine laufenden Kosten mehr, so schwer das auch immer für den jeweiligen Spieler in seiner Situation nachzuvollziehen ist.

Klar ist aber auch, dass Volleyballerinnen und Volleyballer, die ihre volleyballerische Heimat verlassen, durch diesen Verfahren auf der jeweils nationalen Ebene benachteiligt sind.

Das Verfahren wird vom internationalen Volleyballverband nach unten weitergegeben, und muss so durchgesetzt werden, aber ob das so deutschem oder europäischem Recht entspricht? Ich weiß es nicht.

Ich kann mich daran erinnern, dass wir in unseren Zeiten in der 2. Bundesliga (Red.: 2016-2018) zahlreiche Anfragen aus dem Ausland hatten, welche wir aufgrund der Gebühren des ITC-Verfahrens allesamt ablehnen mussten. Ob das im Sinne des Gleichbehandlungs-Gedanken ist, dass man dadurch ausländische SpielerInnen per se benachteiligt, ist für mich nicht klar. Ich würde es für eine erhebliche „Grauzone“ halten. Gleiches gilt exponentiell für den Amateursport wie in unseren aktuellen Fällen. Hier sollen Gebühren bezahlt werden, zudem kommen dann auch noch Verbandsabgaben. Nicht klar ist für mich die Grundlage, auf der wir als Verein in den Wirkungsbereich dieser Anwendung kommen, insbesondere in den unteren Ligen.

Da auch VolleyballFREAK Steffen Probst Mitglied des TVA Hürth und Mitglied der Abteilungsleitung ist, haben wir uns dazu entschieden, in dieser Sache im Namen von VolleyballFREAK in Kontakt mit dem DVV in Person von Fr. Fetting (Generalsekretärin) zu treten. Schriftlich haben wir am 1. Februar d.J. um ein Gespräch gebeten, welches am 12. Februar d.J. per Telefon stattgefunden hat.

Inhalt des Gesprächs zwischen VolleyballFREAK und Fr. Fetting vom DVV am 12.02.2021

DVV Generalsekretärin Nicole Fetting stellte sich den VolleyballFREAK Fragen zum ITC (FOTO: DVV)

Die Motivation für das Gespräch war, die Hintergründe um das ITC-Verfahren und die durch den DVV erhobenen Gebühren zu verstehen.

Im Gespräch mit Fr. Fetting ist nicht im Detail über die geschilderten Einzelfälle diskutiert worden, sondern über die allgemeine Situation für Volleyballspielende in vergleichbaren Situationen. Die aktuellen, oben geschilderten Fälle im TVA Hürth sind lediglich der Stein des Anstoßes gewesen.

Erörtert und kontrovers besprochen sind im Gespräch diverse Fragen und Punkte, hier ein Überblick:

Wodurch rechtfertigt sich die unterschiedliche Höhe der Bearbeitungsgebühren beider SpielerInnen in den o.g. Fällen? Inwiefern ist die Liga, in welcher die SpielerInnen spielen, ausschlaggebend?

Das Verfahren ist von der FIVB vorgegeben und der DVV hat die Höhe der Staffelzahlungen an die jeweilige Spielklasse angepasst, äquivalent zu den unterschiedlich hohen Meldegebühren für Mannschaften in unterschiedlichen Spielklassen. Das ist ein gängiges Verfahren.

Über Beschlüsse [Red: wie die Höhe solcher Gebühren] entscheiden die Mitglieder des DVV im Rahmen von Mitgliederversammlungen, also die Landesverbände. Bearbeitungsgebühren für internationale Transfers ins Ausland wurden erstmals 2006 ausschließlich für den Bereich von NationalspielerInnen und 1. und 2. Bundesligen festgelegt. Eine erste Erweiterung erfolgte 2008 für Wechsel ins Ausland auch unterhalb der 2. Bundesligen.

2011 hat die FIVB die Transferregularien auch auf den Amateurbereich ausgeweitet und das VIS-System verpflichtend für alle Transfer vorgeschrieben. 2012 wurde erstmals eine Bearbeitungsgebühr für Transfers nach Deutschland auch unterhalb der 2. Bundesligen beschlossen (80,00 €) / zusätzlich mussten Vereine evtl. noch Gebühren an Heimatverbände bezahlen. Die Höhe der Gebühren wurden für den europäischen Bereich durch einen Kalkulator des europäischen Volleyball-verbandes (CEV) ermittelt. […]

2016 wurde die Bearbeitungsgebühr unterteilt in 80 € für Wechsel in Dritte Ligen oder Regionalligen und 50 € für Wechsel in Ligen unterhalb der Regionalligen.

Seit 2018 fallen keine Gebühren an Heimatverbände mehr an – Änderung der FIVB-Regularien. Im Rahmen des Verbandstages im Juni 2019 wurden die Bearbeitungsgebühren für den Wechsel in Dritte Ligen (180 €) mehrheitlich beschlossen.

Ist der Arbeitsaufwand durch den DVV in beiden Fällen ein anderer? Was genau sind die Arbeitsschritte, die bei so „typischen“ Fällen im Amateurvolleyball nötig sind? Uns ist klar, dass Arbeitsaufwand durch Verbände in diesem Zusammenhang bezahlt werden müssen. Unklar und nicht transparent ist allerdings, wie der Aufwand konkret aussieht, der die Gebühren rechtfertigt.

Es gibt keinen „typischen“ ITC-Fall im Amateurbereich, da die „Spannweite“ der Beteiligten viel größer ist als im Profibereich.

Die Beteiligten sind Vereine mit und ohne VIS-Vereinsprofil, Spieler mit und ohne VIS-Profil, der Heimatverband, der DVV und die CEV/FIVB. 
Ein intensiver Austausch und Kommunikation zwischen FIVB/CEV/DVV und Heimatverband sind erforderlich. Wenn z.B. keine Profile vorhanden sind, müssen diese mit den notwendigen Informationen erstellt werden und entsprechende Unterlagen eingeholt werden, z. B. bei Minderjährigen. Nach Profilerstellung bzw. regelmäßiger Aktualisierung der bestehenden Profile werden die Transfers für eine Spielzeit angelegt und von den o.g. Beteiligten gezeichnet. Dies muss jährlich erfolgen, da es eine Vorgabe der FIVB ist.

Nachfrage: „Abgeleitet von dem Arbeitsaufwand und den möglichen Personalkosten, scheint noch Raum zu sein, im Sinne der VolleyballerInnen eine fairere Gebührenhöhe zu verlangen. „Die Botschaft ist angekommen.“

Ist die Höhe der ITC-Gebühr verhältnismäßig?

Für mich ist eine Gebühr von z.B. 80€ für die Regionalliga verhältnismäßig. Die Höhe ist nicht willkürlich, sondern ist auch ins Verhältnis zu den anderen ITC-Gebühren gesetzt.

Verbleiben die Gebühren für ITC-Verfahren bei Amateur-VolleyballerInnen alleinig beim DVV, oder müssen Teile an FIVB/ CEV/ Heimatverband gezahlt werden?

Die Gebühren sind reine Bearbeitungsgebühren und das Geld verbleibt beim DVV.


Es handelt sich hierbei um eine Bearbeitungsgebühr, die für die Erbringung einer Dienstleistung und dadurch anfallender Verwaltungskosten erhoben wird. Dabei rechnen wir mit einem Mittelwert, der sich an der Dauer der Nutzung orientiert.

Wie viele SpielerInnen etwa betrifft diese Regelung im Amateurvolleyball (<= Dritte Liga) beim DVV pro Saison?

Ca. 350-400 VolleyballerInnen, von Saison zu Saison stark schwankend.
Ca. 80% davon zahlen eine Gebühr an den DVV, da sie in Deutschland Volleyball spielen.
20% sind SpielerInnen, die im Ausland spielen.

Was sagen Sie zu dem Aspekt, dass (Amateur) VolleyballspielerInnen auf diese Weise finanziell zusätzlich jedes Jahr belastet und ggf. an der Ausübung ihres Hobbys bzw. Berufes behindert werden?

Das ist eine Vorgabe des Weltverbandes, an die wir als FIVB-Mitglied gebunden sind. Die SpielerInnen müssen in die FIVB-Datenbank eintragen werden. Uns fehlt in dem Bereich auch der Spielraum. Wenn wir die Regularien der FIVB nicht erfüllen, erwarten uns entsprechende Sanktionen.

An dieser Stelle hat Fr. Fetting auch auf andere Sportarten verwiesen.

Nach Information auf der Seite des Deutschen Handball Bundes (DHB) erhebt dieser ebenfalls Bearbeitungsgebühren. Laut Auskunft der Geschäftsstelle des Deutschen Basketball Bundes (DBB) werden Bearbeitungsgebühren an den Verband nur für SpielerInnen in der 1. Bundesliga fällig.

Ist eine Anpassung/ Aussetzen bzw. Verringerung der Gebühr für die Zeit der Corona-Pandemie denkbar?

In der Vergangenheit wurden von der Mitgliederversammlung Beschlüsse gefasst, die jetzt natürlich weiter Bestand haben. So einfach können Gebührenordnungen nicht geändert werden, hierfür braucht es Beschlüsse der Mitgliederversammlung. Wir sitzen alle im gleichen Boot und wollen wir Volleyball spielen. Wir müssen das große Ganze im Gesamtkontext sehen, dazu gehören u.a. auch diese laufenden Kosten.

Vielen Dank an Fr. Fetting & Hr. Hamel für den Austausch per Telefon und Email.

Fazit

Die Argumentation des DVVs bezüglich der ITC-Gebühren hat zwei Aspekte:

Der erste ist die Vorgabe durch die übergeordneten Verbände FIVB/ CEV, der man sich nicht widersetzen könne. Ist man jedoch mit einem Umstand nicht zufrieden, muss es auch als Verband möglich sein, gegen übergeordnete Institution zu intervenieren.

Als Nationaler Sportverband mit schwindenden Mitgliederzahlen sollte es auch im eigenen Interesse sein, Volleyball-willigen Amateur-SportlerInnen unabhängig von deren volleyballerischer Heimat keine Steine bei der Ausübung ihres Hobbies in den Weg zu legen.

Argument zwei: Die Gebühren sind dafür da, den Arbeitsaufwand des Verbandes zu bezahlen. Dies ist jedoch nur so lange nötig, wie das System ITC im Kern ist, wie es ist. Ob die Höhe der Bearbeitungsgebühr für den tatsächlichen Aufwand gerechtfertigt ist, kann ich auch nach dem Gespräch nicht einschätzen. Anhand der genannten Fallzahlen ist aber auch klar, dass es für den DVV um eine nicht unerhebliche Summe pro Saison geht.

Dass der DVV gerade in der Corona-Krise nicht einfach auf Gebühren verzichten kann und Ordnungen ändert, ist nachzuvollziehen. An dieser Stelle sind z.B: die Standpunkte des DVVs und des 1. Vorsitzenden des TVA Hürth, Daniel Kuhn, deckungsgleich.

Generell scheint es für alle betroffenen SpielerInnen wenig Hoffnung zu geben, dass sich an diesem System etwas ändert.

Was ist eure Meinung? Haltet ihr die Gebühren für gerechtfertigt oder unfair für aus dem Ausland stammende Volleyballspielende?

… Unabhängig von allem Für und Wider wurde die ausstehende Gebühr durch die SpielerInnen des TVA Hürth fristgerecht überwiesen.

Das Gespräch wurde vor Verkündung des Saisonabbruchs geführt. Fr. Fetting hatte die Fragen vor dem Gespräch vorliegen. Einzelne Details, bspw. zum Arbeitsaufwand hat Fr. Fetting nach erneuter Rücksprache mit den beteiligten Mitarbeitern nach dem Telefonat schriftlich beantwortet.

Über den Autor:

Das Gespräch führte VolleyballFREAK Redakteur Tobias Goerlich. Bereits kurze Zeit nach dem Start des Blogs in 2014 schreibt Tobias regelmäßig für den VolleyballFREAK. Mehr zu Tobias hier.

*Tobias Goerlich ist Mitglied der Abteilungsleitung des TVA Hürth Volleyball und Trainer der Drittliga-Mannschaft der Hürther. Beide aktuellen Fälle betreffen keine Spieler seines Teams. Beide SpielerInnen möchten nicht namentlich genannt werden.