Knieschmerzen im Volleyball? Ich glaube, ich kenne kaum eine Mannschaft, bei der nicht mindestens ein Athlet über Knieschmerzen klagt. Auch Bandagen sieht man regelmäßig im Training und an Spieltagen. Tatsächlich sind Volleyballer bezüglich des Themas chronische Überlastungen des Kniegelenkes die Spitzenreiter unter allen Sportarten1. Deshalb ist es auch so wichtig, dass dieses Krankheitsbild erforscht wird, um präventive und rehabilitative Maßnahmen besser einzuleiten. Leider tippt die Forschung trotz einigen Forschungsarbeiten im Gegensatz zu den Kreuzbandverletzungen noch ziemlich im Dunklen. Reviews schildern 37-Variablen, teils mit konträren Ergebnissen zwischen den Studien, die in Zusammenhang mit chronischen Überlastungen des Kniegelenks stehen sollen2,3. Eine so hohe Anzahl an möglichen Variablen macht eine gezielte Intervention schlichtweg unmöglich. 

Warum ist die Pathogenese chronischer Knieschmerzen so kompliziert? Und wie müssen wir uns diesem Thema eventuell aus einem anderen Blickwinkeln nähern, damit wir bessere Ergebnisse erzielen? Genau dies möchte ich etwas in diesem Artikel beleuchten. Angefangen bei den Basics, über volleyball-spezifische Forschungsarbeiten, bis hin zu aktuellen Fragestellungen und Zielsetzungen werde ich dich auf eine kurze Spritztour durch den Informationsdschungel der chronischen Knieschmerzen nehmen. 

Unsere Gastautorin Christina Frese

Mein Volleyball-Projekt an der Universität Stuttgart zu chronischen Knieschmerzen

Christina Frese untersucht wissentschaftlich, wo chronische Kniescherzen im Knie herkommen

Eigentlich hatte ich selber gar nicht so viel mit chronischen Knieschmerzen am Hut. Bis auf eine kurze Phase von 3-4 Monaten in der Saison 2018 mit Anzeichen einer leichten Überlastung, hatte ich selber damit nie Probleme. Ende 2018 war ich mit meinem Masterstudium der „Biomechanik, Motorik und Bewegungsanalyse“ fertig und bewarb mich auf eine ausgeschriebene wissenschaftliche Mitarbeiterstelle an der Universität Stuttgart.  Dort sollte in einem vom „Bundesinstitut für Sportwissenschaften“ geförderten Projekt die Ursachen für chronische Knieschmerzen im Beach- und Hallenvolleyball untersucht werden.  Natürlich war ich da sofort Feuer und Flamme, bekam die Stelle und beschäftigte mich seitdem intensiv mit dem Thema. Dieses spannende Thema möchte ich nun auch in meiner Promotion fortsetzen, weil es noch so viel Forschungsbedarf gibt. Eine Zusammenfassung des Projektes haben wir im BISp-Jahrbuch veröffentlicht. 

Link zum Artikel im BISp-Jahrbuch Forschungsförderung 2019 / 2020

Die Quint-Essenz? In dem Projekt haben wir uns umfassend die Kräfte, die Bewegung und die neuromuskuläre Ansteuerung in sieben verschiedenen Sprungformen angeschaut. Counter-Movement-Jump ohne und mit Armen, Drop Jump, Block und drei Angriffssituationen. Im Endeffekt mussten wir im Einklang mit der Literatur feststellen, dass wir keine systematischen Unterschiede in der Bewegung und den Kräften zwischen Athleten mit und ohne chronische Knieschmerzen bei den Sprüngen gesehen haben. Im Einklang mit der Literatur konnten wir aber systematische Unterschiede in der neuromuskulären Ansteuerung feststellen. Der M. vastus medialis hatte bei den betroffenen Athleten eine signifikant kleinere Aktivität im Verhältnis zum M. vastus lateralis. Interessanter Weise konnten wir durch unsere komplexe Messreihe auch feststellen, dass die neuromuskuläre Ansteuerung kaum von der Komplexität der Sprungform noch vom Untergrund beeinflusst wird.  

Weiterhin haben wir festgestellt, dass bei allen unilateral (einseitig) betroffenen Spielerinnen das Stemmbein betroffen war. Sie landeten aber hauptsächlich auf dem Beistellbein. Gleiches Phänomen wird von Tillmann beschrieben, indem er Videoaufzeichnungen aus Spielen auswertete4. Folglich schlussfolgerten wir, dass zumindest in unserem jungen weiblichen Kollektiv, die Absprungphase für die Ausbildung von chronischen Knieschmerzen entscheidend sein könnte. Solche Vermutungen stellte auch schon Van der Worp auf Basis verschiedener Studien auf3. Weiterhin gibt es aus biomechanischer Sicht Hinweise, dass die Belastung des Kniegelenks des Stemmbeines in der Absprungphase höher ist als in der Landephase. Grund dafür ist die Umsetzung der Anlaufgeschwindigkeit in Sprunghöhe5

Die Erkenntnis, dass sich die Ursachen von chronische Knieschmerzen inter-individuell sehr unterscheiden können

Im Volleyball scheint das Ganze aber noch etwas komplexer zu sein als man zunächst denkt. So scheint es einleuchtend, dass in diesem Fall die Absprungphase relevant ist, aber was ist mit den AthletInnen mit bilateralen (beidseitig) Schmerzen? Gefühlsmäßig höre ich gerade bei männlichen Athleten, dass bei Ihnen vermehrt bilaterale Schmerzen auftreten. Da in der Landung nach dem Sprung beide Beine belastet werden, würde ich vermuten, dass bei bilateral Betroffenen eher die Landephasen nach dem Sprung entscheidend ist. Wissen und belegen kann ich es leider (noch) nicht. Dazu gibt es noch keine epidemiologischen Daten in der Literatur. Falls du Bock hast der Forschung etwas unter die Arme zu greifen, dann kannst du dich gerne in unser Anmeldeformular eintragen. Haben wir genug Interessenten mit Knieschmerzen, könnten wir mittels digitalen Umfragen genau solchen Fragestellungen nachgehen. 

Link zum Anmeldeformular (Link: https://www.fitnesswarrior.de/doktorarbeit-chronische-knieschmerzen-im-volleyball-und-laufsport/)

Dieser skizzierte Gedanke der Unterscheidung von uni- und bilateralen Knieschmerzen kam durch eine persönliche Begegnung mit einem Volleyballer in 2020. Wir lernten uns beim Hochschulsport der Universität Stuttgart kennen. In der letzten Trainingseinheit vor dem Corona-Lockdown. Er erzählte mir von seinen Knieproblemen und seiner ziemlich langen Leidensgeschichte. Den (vielen) erfolglosen Rehabilitationsversuchen. Mit ihm wurde schon vieles gemacht:

  • Massagen,
  • Becken-Bein-Achsen Training
  • und Kräftigung der Hüfte.

Nichts hat so richtig bei ihm angeschlagen. Also schaute ich mir seine Angriffsbewegung an. Er war ganz überrascht, weil noch kein Physiotherapeut und kein Arzt (und über die Jahren waren das viele) dies je getan hatten. Dabei fiel mir sofort auf: Die Absprungphase ist gut, aber die Landephase ist „knietechnisch“ eine reine Katastrophe. Beim Landen blieben die Füße wie auf dem Bild zu sehen in einer Spitzfußstellung. Die Hüfte federt kaum nach und die Knie reichen weit nach vorne. 

Aus biomechanischer Sicht sorgen die steifen Sprunggelenke und die steife Hüfte für hohe Kraftspitzen auf Grund von zu geringer Abfederung. Kombiniert mit einem großen Hebelarm zwischen Bodenreaktionskraft und Kniegelenksdrehpunkt, erzeugt das extrem hohe Momente auf das Kniegelenk.

Soweit die Theorie. Als Wissenschaftlerin bin ich aber natürlich interessiert, welchen Einfluss die unterschiedlichen Landungsvarianten in der Praxis tatsächlich haben. Also gingen wir damals just for fun eine Session in unser Forschungslabor auf die Kraftmessplatte. Ich hatte mit einem Unterschied von 15% in den Kraftpeaks gerechnet. Tatsächlich verringerten sich die Kraftspitzen von knapp 5000 N auf 3300 N in der ersten Session! In der dritten erreichte der Athlet sogar Werte von 2600 N-3000 N. Das entspricht nahezu 40% Reduktion! Berücksichtigt man nun noch den deutlich verringerten Hebelarm (40% des ursprünglichen), dann reduziert sich das extern wirkende Spitzenmoment auf die Patellasehne um über 60%! 

Natürlich wird er im Spiel nicht immer so extrem abfedern und die Knie hinter den Fußspitzen positionieren können, aber es ist auch schon viel gewonnen, wenn er nur 50% der neuen Bewegungsform auch im Spiel umsetzt. Unter Berücksichtigung seiner Erzählungen, dass er im Sand deutlich weniger Probleme hat als in der Halle, war mir schnell klar, dass sich die dämpfenden Eigenschaften des Sandes positiv auf die Kraftspitzen und somit auf das Kniegelenk auswirkt. In unserem Projekt waren die Kraftspitzen im Sand in der Landung etwa 20% kleiner. 

Was bedeutet nun ein steifes Landemuster für die Strukturen und wie könnte es chronische Knieschmerzen fördern?

Der Quadrizeps muss in der steifen Landung nun richtig arbeiten, um das Meiste alleine abzufangen. Kein Wunder, dass dabei die Sehne in „die Knie geht“. Beweglichkeitstest an dem Spieler ergaben, dass der stark verspannte Quadrizeps einen verringerten Bewegungsumfang von 120° in Bauchlage aufwies. In der Regel erreicht man eher 140-160°8. Doch nicht nur der Quadrizeps, sondern auch die Wadenmuskulatur und die Fußhebermuskeln scheinen durch dieses sehr starre Landeverhalten zu verspannen. In Folge kommt es zu einer ungewöhnlich hohen Bewegungseinschränkung der Sprunggelenke. Dies erkennt man direkt auf den beiden Fotos (Abb. 5). 

Das Verrückte nun? Mit dem Spieler wurde alles mögliche an der Hüfte und am Knie gemacht. Seine starken Senkfüße wurden zwar erkannt, aber da hieß es dann direkt, dass das ohnehin ein hoffnungsloser Fall sei… Und das Sprunggelenk? Das hat sich keiner angeschaut. Man erkennt aber schon mit bloßem Auge, dass eine starke Bewegungseinschränkung sowohl in der Plantar- als auch Dorsalextension vorliegt. Studien berichten, dass eine Dorsalflexion von <36° das Risiko für chronische Knieschmerzen um das 10x fache erhöht 12

„Der Athlet ist eines der besten mir bekanntesten persönlichen Beispiele, 

dass es ein Konzept „One fits all“ bei chronischen Knieschmerzen nicht gibt!“ 

Chronische Knieschmerzen haben einen multifaktoriellen Ursprung und diese müssen immer individuell ermittelt werden13. Eine zielgerichtete therapeutische Behandlung ist viel erfolgreicher als ein unspezifisches Therapiekonzept, wo alle AthletInnen mit chronischen Knieschmerzen über einen Kamm geschoren werden 14. Falls du dich schon länger mit chronischen Knieschmerzen herum plagst, etwas Geld selber in die Hand nehmen würdest und dir ein online betreutes Training gut vorstellen kannst, dann kannst du dich auch gerne bei knieathletics melden. 

Steffen ist ein engagierter Sportphysiotherapeut, mit dem ich schon lange intensiveren Kontakt habe. Seit Anfang 2021 bietet er nun seine Leistung auch im Online-Format an. Neben meinem eigentlichen Hauptjob an der Uni und meiner Doktorarbeit, bringe ich mich nun auch mit viel Freude in Steffens neues Projekt ein. Denn leider ist die standardmäßige physiotherapeutische Behandlung in den meisten Fällen nicht ausreichend, um die Sportler wieder richtig fit für die Halle, den Rasen- und den Beachplatz zu bekommen.

Um das Team etwas besser kennen zu lernen, kannst du auch gerne der facebook-Gruppe: „Comeback für Knie Verletzte – Kreuzband, Meniskus & Co“ beitreten. Dort kannst du auch deine Fragen an uns stellen und dich mit anderen austauschen. Ich selber betreibe seit 2014 einen eigenen Blog namens fitnesswarrior, wo du auch gerne drin schmökern kannst. Mein Ziel ist schon seit vielen Jahren die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Forschung dem normalen Bürger besser zugänglich zu machen und sich damit besser selber helfen zu können. Jedoch zeigt sich in komplizierteren Verläufen und gerade bei einem so komplexen Thema wie chronischen Knieschmerzen immer wieder, dass eine individuelle Betreuung vom großen Nutzen sein kann. 

Nach dem kleinen Exkurs nun aber zurück zu unserem eigentlichen Thema:

Was ist der aktuelle Stand zu Risikofaktoren für chronische Knieschmerzen im Volleyball?

  1. Die Angriffsbewegung gilt als risikohaftetes Bewegung und wurde mit Abstand am häufigsten untersucht2,3.
  2. Der Fokus liegt auf dem Patellaspitzensyndrom (Schmerzen der Sehne), da die meisten Athleten im Volleyball mit chronischen Knieschmerzen dieses Krankheitsbild aufweisen. Es gibt fast keine Untersuchungen zu patella-femoralen Problemen (Schmerzen hinter der Kniescheibe) im Volleyball2,3
  3. Im Fokus stand die Hüft- und Kniegelenksdynamik in der Saggitalen2,3. Die Sprunggelenksdynamik wurde bisher stark vernachlässigt, obwohl aus anderen Forschungsfeldern bekannt ist, dass das Sprunggelenk einen wesentlichen Einfluss auf das Kniegelenk hat6
  4. Die vermuteten risikohaften Bewegungsphasen im Angriffsschlag sind die horizontale und die vertikale Landephase. Die horizontale Landephase ist Teil der Absprungphase und beschreibt die Umsetzung der horizontalen Geschwindigkeit in Sprunghöhe über das Stemmbein. Die vertikale Landephase ist die Landung nach dem Sprung. Für beide Phasen wurden Risikofaktoren beschrieben2,3
  5. Die Studienlage zu den Risikofaktoren ist sehr konträr. Dies gilt sowohl für die eigentliche Phase in der Bewegung (Absprung versus Landung) und für die gewählten Variablen (Hüfte, Knie, Sprunggelenk und Kräfte) 2,3.

Genauere Informationen findest du bald (01.07.2021) auf unserer Webseite

Insgesamt können diese Ergebnisse als relativ ernüchternd aufgefasst werden, da auf dieser Basis keine gezielten Interventionen vorgenommen werden können. Was ist das Problem?! 

Neue Wege in der Pathogenese von chronischen Knieschmerzen

Zunächst sind chronische Knieschmerzen die Folge einer strukturellen Überlastung. Diese entsteht durch multiple Mikrotraumen, die der Körper nicht mehr schnell genug reparieren kann. Es kommt zu destruktiven Prozessen 15. Eine umfangreiche Erklärung findest du auf unserer fitnesswarrior-Webseite. Im Zusammenhang mit Volleyball ist nun entscheidend, dass die Sehnen (im Generellen) durch verschiedene Faktoren (über-)belastet werden können. Dazu gehören die auftretenden Kräfte, die Gelenkbewegung als auch die neuromuskuläre Antwort. All diese Faktoren sorgen für eine Belastung und somit eine Dehnung der Sehne. Ist die Dehnung zu hoch, kommt es ab einem bestimmten Schwellenwert zu mikroskopischen Rissen (Mikrotraumen), die später in Summe zu Schmerzen führen können. 

Bisher hat man angenommen, dass sportartabhängig einzelne Faktoren mehr oder weniger relevant für die Ausprägung sein könnten. Doch wie im Volleyball zeigt sich auch in anderen Sportarten, wie z.B. im Laufsport, ein heterogenes Bild in den Risikofaktoren7. Seit etwa 10 Jahren versucht man nun das Ganze Thema von einer anderen Seite aufzurollen. 

„Wie wäre es, wenn man nicht nach einem Risikoprofil für eine Sportart sucht, sondern nach einem Risikoprofil für bestimmte Athletengruppierungen innerhalb der Betroffen mit chronischen Knieschmerzen?“

Erste Untersuchungen zeigen dabei vielversprechende Ergebnisse. An Hand von diagnostischen Tests können 95% der Probanden mit chronischen Knieschmerzen in 3-4 Untergruppen klassifiziert werden8,9. Richtet man das Therapiekonzept direkt auf die Untergruppe aus und versucht nicht alle Betroffenen mit einem Konzept zu behandeln, wird eine deutlich höhere langfristige Schmerzreduktion erzielt 14. Diese Ergebnisse zeigen uns ganz klar, dass eine individuellere Betrachtung von chronischen Knieschmerzen unumgänglich ist, um die Schmerzsymptomatik in den Griff zu bekommen. Gleiches zeigt sich im Laufsport: Wird nur eine einzige auffällige Variable bei einer gezielten Auslese von Läufern adressiert, kann dies bereits zu einer Reduktion der Schmerzen von bis zu 85% führen. In der Tabelle sind die Zielvariablen, das Ziel der Intervention, der Interventionsstyl und die Einschlusskriterien aufgeführt. So wird z.B. versucht bei Personen mit einer hohen Bodenreaktionskraft in der Aufsetzbewegung die Schrittzahl zu erhöhen, um die Bodenreaktionskräfte zu erniedrigen10. Alternativ kann ein Rückfuß- in einen Mittel- oder Vorfußlaufstyl umtrainiert werden, wenn die Läufer bisher noch Rückfußläufer sind. Andere wiederum kippen mit dem Knie stark nach innen, insbesondere Frauen. Dabei hilft ein Motion-Retraining vor dem Spiegel zur Stabilisierung der Becken-Bein-Achse.  

Tabelle 1 erfolgreiche Interventionen im Laufsport gegen chronische Knieschmerzen

ZielvariableZiel der InterventionInterventionsmaßnahmeEinschlusskriterien
BodenreaktionskraftVerringerung der KraftErhöhung der KadenzGeringe Kadenz
BodenreaktionskraftVerringerung der KraftVorfußlaufstylRückfußlaufstyl
Hüftadduktionswinkelweniger HüftadduktionMotion-RetrainingHüftadduktion >20°

Auch hier wird klar, dass die AthletInnen nicht über einen Kamm geschoren werden können. Während Frauen zu einer schlechteren Becken-Bein-Achse tendieren, scheinen bei Männern eher steife Bewegungsmuster und hohe Kräfte eine Rolle zu spielen.

Und im Volleyball?! 

Ich denke, dass hier genau das gleiche zu trifft. Nun ist die Laufbewegung deutlich einfacher und monotoner als so eine komplexe Angriffsbewegung. Das macht es uns nicht einfacher… Wir müssen wahrscheinlich noch mehr differenzieren als die obigen Beispiele im Laufsport. Hinzu kommt, dass die Technik einige Variablen nur mangelhaft auflöst: Insbesondere die Bewegungen der X-Bein-Stellung und der Rotationen. Weiterhin müssen die zukünftigen Teststrategien einfach umsetzbar sein und valide in der Aussagekraft. Eine komplexe Angriffsbewegung unterliegt zwangsläufig einer gewissen natürlichen Varianz und ist daher eher ungünstig.  Wie könnte man sich nun diesem Problem nähern? Genau dies ist der zentrale Bestandteil meiner Doktorarbeit. 

Meine Forschungsarbeit: Risikofaktoren für chronische Knieschmerzen im Volleyball

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich erstmal die grundlegende Frage stellen: Welche Variablen beeinflussen denn eine Bewegungsausführung? In meinen Augen sind die drei primären Variablen die Kraft, die Anatomie und die motorische Ansteuerung. Hat ein Läufer einen dynamischen Valgus (X-Bein-Stellung), dann hat er entweder nicht ausreichend Kraft seine Achse zu stabilisieren oder aber er steuert seine Muskeln nicht hinreichend an. In vielen Fällen ist es auch eine Mischung aus Beidem. Natürlich spielt auch noch die Anatomie wie die Oberschenkeltorsion und Längenverhältnisse ein gewisse Rolle. Im Bezug zum Volleyball scheinen nun mehrere Faktoren eine Rolle zu spielen und beeinflussen das Bewegungsmuster der Absprungphase. Eine gute Übersicht mit Quellen gibt die folgende Grafik:

Von links nach rechts sind folgende Zusammenhänge aufgelistet:

AngriffsbewegungDiagnostische Tests(Resultate von Volleyballern mit / ohne chronische Knieschmerzen)
erhöhte Hüftadduktionmangelnde Kraft in den Hüftabduktoren
erhöhte Hüftinnenrotationmangelnde Kraft in den Hüftaußenrotatoren
erhöhte Tibiarotationsteile / flache Achslage des USG
erhöhte Inversionsbewegung des Fußeserhöhter Foot-Posture-Index
erhöhte Dorsalflexionerniedrigte Beweglichkeit des OSG
Defizit in der neuromuskulären Ansteuerung des OberschenkelsDefizit in der neuromuskulären Ansteuerung des Oberschenkels in Counter-Movement-Jumps
steifes Bewegungsmusterreduzierte Beweglichkeit des Quadrizeps (?)
hohe BodenreaktionskräfteQuadrizepskraft (?)

Bei den letzten Beiden konnte ich bisher keine Referenzwerte in der Literatur finden. Die Risikovariablen, die bei Volleyballern festgestellt wurden, decken sich sehr gut mit den Risikovariablen, die für die Clustering-Ansätze gewählt wurden und sich als erfolgreich erwiesen haben13 . Nun unterscheiden sich aber die Beanspruchung im Volleyball stark von den Beanspruchungen im Laufen oder auch von einem Nicht-Sportler. Dementsprechend ist vorstellbar, dass gewisse Risikovariablen deutlich häufiger auftreten als in der restlichen Bevölkerung und auch andere Kombinationen vorherrschen. Auch eine Unterscheidung von männlichen und weiblichen AthletInnen wurde in diesem Zuge noch nicht gemacht. Genauso spannend ist die Betrachtung von uni- und bilateral betroffenen AthletInnen. 

Nur wenn wir wissen, welche Risikovariablen im Volleyball bei den AthletInnen primär vorherrschen und welche Kombinationen besonders häufig auftreten, können wir Therapiekonzepte besser gestalten und einen langfristigen erfolgreichen schmerzfreien (!) Wiedereinstieg ermöglichen. Deshalb suche ich nach möglichst vielen engagierten AthletInnen! Denn nur mit einer großen Datenbasis können wir sinnvolle statistische Auswertung durchführen. Bei Interesse und Fragen schreib mich gerne an. Gesunde sind auch willkommen für die Kontrollgruppe!

christina.frese@inspo.uni-stuttgart.de

Link zum Anmeldeformular

(Link: https://www.fitnesswarrior.de/doktorarbeit-chronische-knieschmerzen-im-volleyball-und-laufsport/)

Die Messungen werden in jedem Falle in Stuttgart stattfinden. Eventuell können wir aber längerfristig über Kooperationen auch noch Messungen an anderen Standorten anbieten (Berlin, Hamburg, Dresden, Ruhrgebiet). Deshalb trage dich gerne ein und schreib vielleicht auch 1-2 Sätze wie weit du fahren würdest. Ich würde dich dann kontaktieren, sobald sich etwas passendes ergibt. 

Was kann ich dir im Gegenzug anbieten? 

Als Doktorandin (mit einem doch recht übersichtlichen Gehalt) kann ich dir leider kein Geld für deine Fahrtkosten, Zeiten etc. anbieten. Ich weiß es aber sehr zu schätzen, dass du eventuell einen längeren Weg auf dich nimmst und auch deine Zeit investierst! Deshalb möchte ich dich gerne anderweitig entlohnen. Durch die enge Kooperation mit Steffen Schwarz im Namen von knieathletics können wir dir auf Grundlage der erhobenen Daten in der Studie einen individuellen Trainingsplan gestalten. Den kannst du per App abrufen und bekommst alles als Video gezeigt. Außerdem biete ich dir zwei kostenlose Online-Sessions mit mir an. In der ersten besprechen wir deine Ergebnisse und stellen den Plan auf. In der zweiten, etwa zwei bis vier Wochen später, halten wir dann Rücksprache zu deinem Trainingsfortschritt und über mögliche Adaptationen. Du solltest dir auch bewusst sein, dass solche Messungen in einem Labor alleine in der Regel schon 500 Euro und aufwärts kosten. Da ich aber die Daten für meine Doktorarbeit brauche, mache ich das Ganze kostenlos. Falls du dann längerfristig in eine Online-Betreuung bei knieathletics von Steffen und mir einsteigen möchtest, könnte auch über Sonderkonditionen diskutiert werden. Ich denke also, dass auch du einen großen Mehrwert von der Teilnahme hättest! 

Zum Schluss möchte ich dir noch vier praktische Übungen an die Hand geben, die du überall machen kannst und sich als wertvoll erwiesen haben. 

4 Übungen gegen chronische Knieschmerzen 

Insgesamt möchte ich dir vier Übungen mit auf den Weg geben, die drei unterschiedliche Defizite adressieren. Eine Übung zur Stärkung des vorderen Oberschenkels, eine Übung zur Stärkung der Hüfte und eine zur Verbesserung der Landetechnik und Sprunggelenksansteuerung. Je nachdem wo deine Stärken und Schwächen liegen, werden dir die einzelnen Übungen schwerer oder leichter fallen. Wichtig ist in jedem Falle die Ausführung. Prinzipiell solltest du unterhalb der Schmerzgrenze trainieren und deine Knie sollten sich nicht nach dem Training gereizter anfühlen. Dann war es zu viel und die musst die Anzahl oder die Sprunghöhe etc. reduzieren. Die langsame Steigerung der Belastung ist das A und O, damit sich die Sehne wieder adaptieren und aufbauen kann. 

Das Video mit den Übungen findest du auf youtube unter: https://www.youtube.com/watch?v=k0bEcVQB4pg&t=1s

Außerdem hatte ich für den Volleyball-Online-Kongress ein schönes Video zur Reha nach einem Kreuzbandriss geschnitten. Hier findest du auch viele Hinweise für einen strukturierten Rehaaufbau. 

Das Video mit den Übungen nach einem Kreuzbandriss findest du auf youtube unter:

Nun wünsche ich euch ganz viel Erfolg und vielleicht lerne ich den ein oder anderen noch persönlich bei mir im Labor, in der Online-Betreuung oder auf dem Spielfeld kennen.

Die Fitnesswarriorin und Doktorandin,

Christina

Anmeldung zur Doktorarbeit: Link: https://www.fitnesswarrior.de/doktorarbeit-chronische-knieschmerzen-im-volleyball-und-laufsport/

Fitnesswarrior-Blog: www.fitnesswarrior.de

Online-Betreuung: www.knieathletics.de

Rehavideo nach Kreuzbandriss: https://www.youtube.com/watch?v=rXuDGXA_IfU

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